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Corona, Kinder und kollektive Traumatisierung


Wir sind alle Kinder unserer Zeit. Wie wir aufwachsen wird bestimmt durch gesellschaftliche Normen, kollektiven Haltungen und der Geschichte unserer Eltern. Als heranwachsende vorgeburtliche Babys sind wir rezeptive Wesen. Alles was uns angeboten wird nehmen wir auf und speichern es in den entstehenden Zellen. Der Mythos der noch um die Jahrtausendwende geherrscht hat, Babys kommen als ungeschriebenes Blatt auf die Welt, wird durch die neuere Wissenschaft widerlegt.


Sowie das Herz anfängt zu schlagen pumpt es Blut durch den noch sehr kleinen Körper in das entstehende Gehirn, Nervenzellen entstehen und damit beginnt die Verarbeitung von Impulsen und Sinneswahrnehmungen. Durch Ultraschalluntersuchungen wissen wir, dass das ungeborene Baby auf seine Umwelt reagiert. Ist es im Umfeld der werdenden Mutter laut, zieht es sich zurück. Erlebt die Mutter sehr viel Stress, erreichen die Stresshormone der Mutter das Baby wodurch es mit erhöhtem Herzschlag reagiert. Sanfte Berührungen des Bauches, angenehme Musik, ein ruhiger Spaziergang, das alles beruhigt das Baby. Durch all diese Reize erfährt das Baby bereits intrauterin wie die Welt ist, wodurch seine Sichtweise und Haltung der Welt gegenüber bereits sehr früh prägt wird.


Eine der wichtigsten Erfahrungen unseres Lebens sind die Geburt und die Zeit um die Geburt. Geburtserfahrungen prägen uns stärker als landläufig gedacht wird. Durch unsere Geburtspraxis in den 70iger, 80iger und 90iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts und der Haltung mit der wir Babys gesehen haben, wurde den kleinen Wesen jede Art von Sinneserfahrungen, Bedürfnisse und Gefühle abgesprochen. Was dazu geführt hat, dass Babys nach der Geburt ins Kinderzimmer gebracht worden sind, damit sich die Mutter ausruhen kann, es wurde ihnen erlaubt nur alle 4 Stunden hungrig zu sein, weinen stärke die Lungen und wenn man immer darauf eingehen würde, würde man sein Kind verwöhnen. Haltungen, die immer noch omnipräsent in der Gesellschaft sichtbar sind und gegen die sich werdende Mütter der heutigen Zeit meist entgegenstellen müssen.


Werden Mutter und Kind früh getrennt, entstehen Einsamkeitserfahrungen und Verlustängste, die das kleine Baby prägen und die in weiterer Folge zu den unterschiedlichsten Kompensationsmuster und Bewältigungsstrategien führen. Die einfachste ist, Bedürfnisse, wie jene nach Sicherheit, Schutz und Nähe, nicht mehr zu spüren. Sie werden tief in unserem Innern vergraben, von wo sie jedoch unbewusst weiterwirken, so dass wir oft jene Bedürfnisse bei einem anderen nicht erkennen können oder sie ihm auch nicht zugestehen.


Betrachten wir was hier eine ganze Generation durch diese Geburtspraxis und der Haltung der Gesellschaft ihnen gegenüber gelernt hat, so wundert es mich nicht, wie momentan mit Kindern und Jugendlichen umgegangen wird. Auch heute wird unseren Kindern das Bedürfnis nach Kontakt, Austausch und Nähe abgesprochen, im Namen der Gesundheit für alle. Durch die Maßnahmen erfahren auch heute noch Kinder Gefühle von Einsamkeit und Verlustängste, wenn sie ihre Freunde nicht sehen dürfen, geliebte Hobbys nicht ausüben dürfen oder nicht mehr in die Schule gehen dürfen.

Und das nur, weil eine ganze Gesellschaft vor ihren Ängsten davonläuft.

Fluchtmodus nennt dies die Traumatologie, der eine Bewältigungsstrategie ist, um mit Bedrohung umzugehen.


Nur, nicht verarbeitete und nicht integrierte Ängste, Bedürfnisse und Gefühle können uns jagen und werden so an die nächste Generation weitergegeben.


Was ich hier nun beobachte ist, wie kollektives Trauma, ausgehend von unserer Geburtspraxis Ende des vorigen Jahrhunderts, momentan eine ganze Gesellschaft und die Welt beherrscht und jagt und das unter dem Deckmantel: „Zum Wohle der Gesundheit“.


Renate Konrad

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