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Die Zerrissenheit des Lebens


Manchmal scheint es, als ob das Leben sich gegen einen richten würde. Nichts gelingt einem, technische Geräte geben ihren Geist auf und mit seinen Mitmenschen verbinden einem Spannungen, Konflikte, Missverständnisse und Sorgen. Es gibt diese Momente, in denen alles in sich zusammenzubrechen scheint, alle Träume, Wünsche, Sehnsüchte, Bedürfnisse und Visionen. Wie ein Kartenhaus, bricht sein Konzept vom Leben in sich zusammen und man fragt sich die einfache und schlichte Frage: „Warum?“ Natürlich geht man seinen Weg weiter, macht das Beste aus der Situation, lernt und baut sein Kartenhaus langsam wieder auf. Entwickelt neue Strategien, neue Visionen, neue Träume, um sie wenig später ein weiteres Mal in sich zusammenbrechen zu sehen. Jeder Rückschritt lässt einen Teil von Freude, von Sinnhaftigkeit und Motivation sterben. Jedes Mal kommen die Karten des Katenhauses tiefer in einem zu liegen und berührt existenziellere Bereiche. Der Riss, der Trennung und Spaltung hervorruft, wird scheinbar tiefer und weiter, der Sog, der aus ihm aufsteigt stärker und die Schlucht unüberwindbarer. Traurigkeit breitet sich aus. Das Körpergefühl der berührten Wunde der Verbundenheit macht sich bemerkbar. Das ungestillte Bedürfnis nach Zugehörigkeit sendet seine Sehnsucht aus, die kraftlos nur die Traurigkeit aktivieren kann. Sinnlosigkeit beginnt sich ihren Weg an die Oberfläche zu bahnen.


Wie erfüllen sich Bedürfnisse, wenn die Unsichtbarkeit einen einhüllt? Wie gelangt man zu Erfolg, wenn ausgestreckte Hände nicht ergriffen werden? Was macht man, wenn Daten im Nirvana der Technik und des Internets verschluckt werden und Freunde sich zurückziehen?

Wir brauchen uns, um erfolgreich zu sein, um langfristig lebendig zu bleiben, um Lebensfreude zu leben und um Zufriedenheit zu erlangen. Freundschaft ist wie eine Krücke, die einem Halt und Stütze ist, die neben einem hergeht und die einem eine Hand reicht und einfach nur da ist, die mit einem auf ein gestecktes Ziel blickt und behilflich ist dieses zu erreichen, die sich mit einem freut über jeden geschafften Schritt, die einem ermuntert weiterzugehen und einem aufhilft, wenn man fällt.


Rückschläge sind wie zusammenstürzende Kartenhäuser, die Scherben in einem hinterlassen. Sie werfen einen drei von fünf gegangen Schritten zurück und lassen einen mit sich und dem Leben hadern. Rückschritte rauben einem die Worte, verunsichern und ersticken jegliche Bemühungen. Sind sie doch die Handschrift der Risse, die sich immer dann in ihrer Todesangst melden, wenn sie beinahe überwunden werden, durch entstandene Brücken beinahe verschlossen sind und das Leben in, mit und durch sie sich neu erhebt.


Die Scherben des Lebens, auf die man herabblickt widerspiegeln die rohe Gewalt, die das Leben auslöscht, ausrottet und ihm verbietet zu sein. Die Scherben symbolisieren die Zerrissenheit, in der man sein Leben lebt und reflektieren die Zerrissenheit, dessen Kind man ist. Die Scherben am Grund stehen für die Unberührbarkeit, die man ist und mit der man sich vor Verletzung schützt, sowie für die Schärfe, mit der man andere verletzt und mit der man sich selbst immer wieder verletzt.


Scherben bringen Glück, besagt ein altes Sprichwort. Man hat die Möglichkeit sein Leben selbst zu gestalten und unabhängig zu leben. Man kann tun und lassen was man möchte, da es keinen zu interessieren und zu berühren scheint. Doch bringt das wirklich ein Glück, das einem ein zufriedeneres Leben beschert?


Wieder einmal mehr bleibt die Umarmung der Zerrissenheit übrig. Die Annahme und die Hingabe an die Zerrissenheit als Ausdruck des Lebens. Es gibt nichts zu tun, als das Ruhen auf den Scherben, sie betrachten und in ihnen sein Leben zu bezeugen. Gutgemeinte Ratschläge, Beschwichtigungen und leere haltlose Ermunterungen sind Gift für diesen Moment der Verbundenheit mit seinem verkörperten Leben, das sich im Ausdruck der Zerrissenheit präsentiert. Stille und Kontemplation ehren und schätzen die Heiligkeit des Momentes und das Wunder, das in ihm liegt und sie zollen dem auf den Scherben sitzenden Lebewesen Respekt und Achtung. Unter dem kontemplativen Blick eines Zeugen schöpft das Lebewesen Kraft, Mut und Zuversicht und kann sich so langsam erheben und im Lauschen auf das Leben seinen ersten nächsten Schritt wagen.

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