Sie ist da, die dunkelste Zeit des Jahres. Mit jedem Tag scheint die Sonne kürzer und steht weniger hoch am Himmel. Dichte Wolken und Nebel unterstützen die Dunkelheit, die sich nun täglich mehr und mehr in unseren Breiten ausbreitet.
Mit der Dunkelheit kommt die Stille. Unter der dichten Schneedecke, die nun langsam weniger wird, ruht das Leben, harren Tiere und Pflanzen aus um voller Energie im Frühling sich von neuem zu erheben.
Was machen wir Menschen? Wir bereiten uns auf Weihnachten vor. Eilen gehetzt von Geschäft zu Geschäft und durchforsten das Internet auf der Suche nach den passenden Geschenken. Wir tummeln uns auf Weihnachtsfeiern, auf Weihnachtsmärken und in sozialen Foren, wo wir uns die letzten Inspirationen für das Ausrichten des Weihnachtsfestes holen. Wir backen Kekse, putzen das Haus, kaufen die neueste Weihnachtsmode und hören stundenlang Weihnachtsmusik oder sehen Weihnachtsfilme an. Wir tauchen ein in das Gefühl von Weihnachten. Wie schön dies doch ist, wie bunt und froh, laut und hell. Es ist die schönste Zeit des Jahres....
Ist sie dies den wirklich? Oder ist sie es nur, weil wir alles daran setzen um der Dunkelheit auszuweichen und sie nicht zu bemerken. Verschließen wir nicht mit unserer vorweihnachtlichen Betriebsamkeit Jahr für Jahr die Augen vor dem Offensichtlichen?
Das Offensichtliche ist: Die Sonne scheint kürzer, die Nächte werden länger, in die Natur ist Stille eingekehrt. Auch wir ziehen uns in unsere warmen Behausungen zurück. Werden wir wie die Natur still? Nein.
Warum?
Weil wir die Stille vielfach nicht aushalten.
Doch was hat Stille mit Dunkelheit zu tun?
Ganz viel… siehe selbst…
Schließe nach dieser Zeile für wenige Minuten die Augen und frage dich was du wahrnimmst und dann schreibe dir alles auf und lies erst dann weiter.
Höchstwahrscheinlich hast du die Dunkelheit wahrgenommen, die hinter deinen Augen anfängt. Vielleicht hast du alle Geräusche um dich herum intensiver gehört. Vielleicht ist dir dein Atem und dein Herzschlag aufgefallen, Verspannungen, leichte oder stärkere Schmerzen. Vielleicht sind subtile Körperbewegungen in dein Bewusstsein getreten. Erinnerungen oder Gespräche die du geführt hast und dessen Ausgang du noch nicht vollständig verdaut hast. Vielleicht spürst du Wut, Traurigkeit, Müdigkeit oder vielleicht auch nichts. Wahrscheinlich hast du genau an diesem Punkt die Augen geöffnet.
Genau dies geschieht, wenn wir in die Dunkelheit eintreten und uns auf sie einlassen. Auf der einen Seite werden wir still. Wir halten den Mund, nehmen dafür jedoch mehr wahr. Wir werden rezeptiver, nicht nur, weil uns ein Sinn fehlt, sondern auch weil wir mit dem Schließen der Augen unsere Aufmerksamkeit nach Innen lenken und dadurch unserem Unterbewusstsein das Signal geben sich zu zeigen. Nichts anderes geschieht in der Nacht, wenn wir schlafen. Wir beginnen das Erlebte zu verdauen.
Was hat dies nun mit unserer Zeitqualität zu tun? Ganz viel, wie ich meine.
Kollektiv treten wir mit der Sonne und der Natur in die Dunkelheit ein, schließen die Augen und werden still und beginnen das vergangene Jahr zu verdauen um daraus Kraft und neue Lebensenergie zu ziehen. Wie schade ist es, genau während dieser Verdauungstätigkeit in Hochstress zu verfallen. Die natürliche Regulation von Aufnehmen und Ausscheiden oder Loslassen wird dadurch ausgeschalten. Wir behalten kollektiv alles was uns nicht gut tut und suchen im außen nach Dingen, von denen wir erhoffen, dass sie uns Lebenskraft und Lebensenergie schenken.
Warum tun wir dies?
Ich weiß es nicht.
Vielleicht ist der Anreiz größer im außen das Licht zu sehen als in uns selbst es zu entdecken. Vielleicht ist es einfacher in sein Auto zu steigen und zum nächsten Adventmarkt zu fahren, als sich in das Gewimmel seiner Unterwelten zu begeben. Vielleicht ist es lustiger sich mit Punsch und Keksen den Magen vollzustopfen als sich für jene kleinen Momente zu öffnen, die einem in der Tiefe berühren und dadurch nähren.
Ich glaube wir alle haben Angst vor der Dunkelheit und den Dämonen, die uns darin erwarten. Aber auch vor dem Licht fürchten wir uns, und flüchten in den Schatten oder schützen uns mit Sonnencreme. Und ich glaube, dass wir alle vergessen haben, das Licht in der Dunkelheit zu sehen, wahrzunehmen und zu erkennen. Wir haben alle Angst vor unserer eigenen Dunkelheit und vor unserem eigenen Licht in uns selbst. Daher schmücken wir unsere Häuser mit Lichterketten, behängen uns selbst mit lustigen Weihnachtskleider und überreichen Geschenke um für einen kleinen Moment das Licht des Beschenkten in seinen Augen sehen zu können.
Noch ist die Sonne auf ihrem Weg in die Dunkelheit. Noch können wir sie begleiten und an ihrer Seite gehen. Noch leuchtet sie uns den Weg. Doch schon bald hat sie ihr Ziel erreicht und dann wandert sie auf dem Weg, der sie aus der Dunkelheit führt. Gerne würde sie uns mitnehmen zu ihrem Ziel, das ebenso das unsrige ist. Wieviel schöner ist es, wenn wir gemeinsam mit der Sonne und all den Lebewesen aus der Dunkelheit auftauchen und den neuen Tag, das Frühjahr, das neue Jahr, den neuen Lebensabschnitt, das neue Leben begrüßen würden?
Schließen wir kollektiv unsere Augen um gemeinsam in der Dunkelheit unsere Augen weit zu öffnen, um das Licht in uns, in unseren Familien und Ahnen, in unserer Gesellschaft und kollektiv in der Menschheit zu erkennen und es gemeinsam in Empfang zu nehmen, uns von ihm berühren zu lassen und es heimzuholen in unseren Alltag, in unsere Beziehungen, in unsere Politik und Wirtschaft.
Wie würde unsere Sichtweise und unsere Herangehensweise in Zeiten von multiplen Krisen sich verändern? Wie würde unser Zusammenleben aussehen, kommunal wie weltweit? Wie würden wir mit unserer Heimat, Mutter Erde, umgehen?
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