Quälender Rauch und Flammen, wie es sie noch nie gegeben hat. Schreiende Männer in ihren Roben und ihren Kreuzen an der Brust, aufgebracht und doch voller Freude. Endlich können sie vernichten was ihrem Glauben scheinbar im Weg steht. All die verhassten, irreführenden heidnischen Texte, denen immer noch viel zu viele Menschen glauben schenken und die die Menschen mit den Naturwesen verbinden und sie so abhalten an den einzigen himmlischen Vater zu glauben.
Eines nach dem anderen landet in dem Feuer. Leergefegt ist sie, die Bibliothek der Heiden und Ketzer. Weit strahlt das Feuer, verzehrt sich an den Worten und der Weisheit der Bücher. Auf der einen Seite stehen sie, voller Stolz und siegesfreudig. Auf der anderen Seite steht sie, mit ihrem wallenden Rock und mit starrem Blick.
Sie kann sie nicht fassen, die Gewalt, die Ungerechtigkeit, der Hass und das Unverständnis. All das, was ihr lieb und teuer ist, liegt nun vor ihr in dem Meer von Flammen, all ihr Glaube, ihr Wissen, ihr einziger Schatz, ja ihr gesamtes Leben. Es sind ihre Worte, ihre Weisheit, ihre Weltsicht, die hier nun vor ihr mit Füssen getreten und von den Flammen aufgenommen werden und so der Welt entrissen wird.
Starre und Unverständnis lähmen sie, schnüren ihre Kehle ab und legen sich wie eiserne Ketten um ihren Brustkorb, sodass ihr das Atmen schwerfällt. Sie sollte sich bewegen, alles tun um ihre Bücher vor den Flammen zu retten, die Männer anschreien, sie daran hindern noch mehr in die Flammen zu werfen. Doch sie sind zu mächtig und viel zu viele für sie. Nur wenige Frauen stehen neben ihr, fassungslos wie sie.
Ihre Welt ist zerstört, ihre geliebten Bücher, ihr Wissen, das von so vielen geschätzt war. Dahin! Opfer von blankem Hass, giftigem Neid und rasender Eifersucht. Doch was noch auf sie zukommen wird, das vermag sie sich noch nicht auszumalen. Ihr Lebenswerk ist zerstört, was zählt dann noch ihr Leben?
Jahre später, in einer längst veränderten Welt, sitzt sie und schreibt ihr Buch. Ein Buch, das ihr Herz ihr ansagt, ein Buch, das ihr die Rhythmen der Natur zuflüstern, die Seelen der Pflanzen ihr zuraunen und der Lebensimpuls ihr aufträgt. Fassungslos starrt sie auf die Buchstaben, Worte und Sätze, die auf dem Bildschirm vor ihren Augen auftauchen und sich zu Zeilen und Seiten formen. Wissen, Weisheit und Schönheit sind in ihnen vereint. Das Licht von einer längst vergangen Zeit leuchtet durch die Zeilen hindurch und erinnert sie an längst vergangene und vergessene Zeiten. An Zeiten, in denen die Menschen in Einheit mit der Natur und ihren Lebewesen gelebt haben.
Seit jener Zeit, des großen Feuers, scheint die Natur und der Mensch zu Feinden geworden zu sein. Doch jetzt ist die Zeit des Feuers wiedergekehrt. Das Feuer des Zornes und des Hasses, es speit das Wissen all der verbrannten Bücher aus. Die Flammen geben zurück was sie einst genommen haben.
So steht sie da, in einer längst vergangen Zeit, neben jener Frau im wallenden Rock und starrem Blick. Sie steht da und schaut in die Flammen. Erblickt die Bücher, geht auf das Feuer zu und greift hinein. Sie muss sie dem Feuer nicht entreißen, es gibt ihr die Schätze unbeschadet. Es sind nicht viele, aber es sind die ihrigen. Der Schatz, der vor so langer Zeit verloren gegangen ist und ihr Leben zerstört hat, ist zu ihr heimgekehrt. Sie weiß was der Frau neben ihr noch bevorsteht und doch muss sie heimkehren, in ihre Zeit, zu ihrer Aufgabe und zu ihrer Familie. Doch bevor sie dies tut erhält sie Schriftstücke für ihre Tochter. Dann schließt sich der Weg und die Verbindung und beide Frauen eilen ihrem Schicksal und ihrem Auftrag entgegen.
Ihre Seelen jedoch bleiben verbunden. Das Wissen der einen wird wieder auferstehen durch die andere. Leben werden sie dadurch beide. Gerechtigkeit widerfährt beiden und so sind sie es, die sich nun über Raum und Zeit siegessicher zulächeln. In dem Wissen, das das Leben mit seiner unendlichen Liebe und Weisheit letztendlich immer siegt.
Comments